TELEVISION.photo

Fokus

Die Wette, auf die Sophie Huguenot sich eingelassen hatte, erschien mir ebenso paradox wie unvernünftig: die Modernität einer Fernsehredaktion mit einer traditionellen Fachkamera dokumentieren und decodieren? Dem hektischen Gewimmel in einem Newsroom mit einem auf Langsamkeit angelegten und bestimmte Zwänge auferlegenden Handwerkszeug Paroli bieten? Langsam und geduldig eine Welt beobachten, in der – ganz im Gegenteil – die Unmittelbarkeit triumphiert? Die Unzeitgemässheit dieser Vorgehensweise hat auf mich in der Tat verführerisch gewirkt. Einen Agent provocateur einzuschmuggeln in eine Welt, in der das einem ausgetüftelten Szenario folgende formatierte Bild herrscht, bot die Möglichkeit, die Mechanismen des Hochamts der Nachrichten genau in dem Moment zu hinterfragen, da es den Kathedralen der Fernsehanstalten immer schwerer fällt, ihre Gläubigen zu versammeln. Mit diesem Projekt war das Versprechen verbunden, das Medium in einer Phase zu decodieren, in der das Informationsangebot des öffentlich-rechtlichen Service public in einem zunehmend beunruhigenden Masse zu verschwinden droht.

Während eines Zeitraums von neun Jahren (!) hat Sophie Huguenot die Chronik des bewundernswerten Kampfs einer Redaktion erstellt, die ständig im Sturm stand: digitaler Tsunami, Existenzkampf um die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien, Nachrichtenmüdigkeit sowie nicht zuletzt die schwindende Bedeutung der traditionellen Medien. Im Zuge dieser Erkundungsarbeit verspürte sie die Notwendigkeit, die Epoche des Fernsehbildschirms auf ihrem Höhepunkt zu dokumentieren, den Triumph eines Informationsmodells, das vielleicht für immer entthront wurde. Ihre Intuition hat sich als zutreffend erwiesen: Diese hervorragende fotografische Arbeit legt Zeugnis ab von einem Jahrzehnt, in dem die Medienlandschaft tiefgreifend umgewälzt wurde. In diesem gewaltigen Korpus an Fotografien manifestiert sich die Übergangsphase eines grundlegenden Wandels der audiovisuellen Medien.

Die mit chirurgischer Präzision durchgeführte Analyse unterliegt nie der Versuchung eines Ästhetizismus, an keiner Stelle lässt sie sich von den Bildschirmstars blenden. Das Wesentliche findet sich anderswo. Das Bild konzentriert sich auf die Banalität der alltäglichen Arbeit in einem Fernsehstudio, auf die Randbereiche sowie vor allem auf das ständige Warten, mit dem es die Protagonist:innen dieser Nachrichten-Inszenierung zu tun haben. Aus dieser Bildeinstellung tritt eine Mechanik hervor, die das Menschliche zu erdrücken scheint. Nach und nach entsteht das Bild einer beachtlichen Maschine, einer gigantischen Fabrik, die unter Hochspannung auf das Spektakel der Nachrichten ausgerichtet ist. Wobei mit der Zeit auch ein gewisser Zweifel aufkommt: Ist diese Maschinerie legitim oder ist sie masslos geworden?

Auf ergreifende Weise zeigen die hier versammelten Fotografien eine Technologie, die immer besitzergreifender und mit ihrer unerbittlichen Notwendigkeit, das Bild ständig mit neuen, mehr oder weniger pädagogischen Spielereien anzureichern, für die Journalistinnen und Journalisten immer erdrückender wurde. Paradoxerweise unterscheidet sich die Liturgie einer Fernsehnachrichtensendung von heute dennoch nicht grundlegend von der vor vierzig Jahren. Ist dieses unveränderliche, sakralisierte und von den technologischen Innovationen – von 3D bis KI – kaum grundlegend veränderte Ritual heute noch zugkräftig?

In einer Zeit der Algorithmen und der Fake News bleibt das Schauspiel der Nachrichten, das wegen seiner kühlen und entkörperlichten Abgehobenheit oft verschrien wurde, gleichwohl ein wertvoller Kreuzungspunkt mit einer vertrauenswürdigen Person, die uns dabei hilft, sicher durch die Komplexität der Welt zu navigieren. Das mag mit dem immergleichen männlichen oder weiblichen Stammpersonal vielleicht als eine archaische Methode erscheinen, hat jedoch den Vorteil, den Menschen im Mittelpunkt zu behalten.

In Sophie Huguenots Arbeit wird jede Betrachterin und jeder Betrachter eigene Fragestellungen wiederfinden, vielleicht auch Ansätze von Antworten. Für mich selbst stellt dieses Korpus von Fotografien eine Bestandsaufnahme dar, die dazu anregt, über die Zukunft des Nachrichtenwesens nachzudenken. Eine wertvolle Feineinstellung und Klarstellung, die beunruhigende Fragen aufwirft bezüglich eines Mediums, das sich immer wieder neu erfinden muss, um nicht in Antiquiertheit zu versinken. Indem die vorliegende fotografische Dokumentation mit einer traditionellen Fachkamera die Rückseite des Dekors in den Blick nimmt – vom unerbittlichen Gewicht der szenografischen Einrichtung bis zur quasi räumlichen Steuerung heutiger Regieführung, vom überholten Tragen einer Krawatte bis zur unveränderten Prozedur der Maske –, führt sie die kolossalen Anstrengungen vor Augen, die unternommen werden, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln. In einer Zeit, in der die Budgets in Zweifel gezogen werden, scheinen diese Fotografien Zeugnis abzulegen von einem Artefakt der Vergangenheit, von jener Epoche, in der für die Errichtung von Mausoleen des Nachrichtenwesens unbegrenzt Mittel ausgegeben werden konnten. Zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte standen die audiovisuellen Medien für das wunderbare Versprechen, die Massen zu versammeln, um über das öffentliche Wohl zu debattieren. Beim Blättern durch die vorliegenden Fotografien spürt man deutlich, dass uns eine ganze Epoche unter den Fingern zerrinnt. Wie könnte man diese wertvolle Idee, dieses prächtige Werkzeug der Information im Dienst der Öffentlichkeit neu denken, um die Herausforderungen der direkten Demokratie aufzugreifen? Das Digitale wurde zunächst als Schlüssel zur Zukunft angepriesen und dann als designierter Nachfolger präsentiert, um auch künftig das Publikum zu erreichen. Heute weiss man, dass diese technologische Antwort nicht ausreichen wird. Vom allgegenwärtigen Katastrophismus wie erschlagen und vom ständigen Negativismus ermüdet, wendet sich das Publikum ab, während das Misstrauen gegenüber den Medieneliten stetig zunimmt. Um in einer Zeit, in der die vielfältige digitale Konkurrenz immer verbissener wird, das Vertrauen wiederherzustellen und wieder Aufmerksamkeit zu gewinnen, wird sehr viel mehr erforderlich sein als eine bloße Auffrischung des traditionellen Informationsangebots. Es braucht eine Bestandsaufnahme samt Tabula rasa, um eine neue Seite aufzuschlagen und zu verstehen, wie sich morgen die Existenz eines generalistischen Mediums rechtfertigen liesse, das ebenso zugkräftig wäre, wie es die audiovisuellen Medien zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren.

Indem Sophie Huguenot über neun Jahre hinweg durch ihr Objektiv auf unsere Redaktionen blickte, verhilft sie uns zu einem klareren Blick auf die Welt, die sich gerade herausbildet. Eine unerlässliche Etappe vor dem Umbau. Die hier versammelten fotografischen Aufnahmen, Feineinstellung und Klarstellung zugleich, laden uns ein, die Vergangenheit zu betrachten, fordern aber auch dazu auf, uns die Zukunft vorzustellen. Jedes einzelne ihrer Bilder regt zum Nachdenken über unser essenzielles Bedürfnis an, uns zu informieren, um besser zusammenleben zu können. Falls man nur eine einzige Fotografie dieses Moments der Geschichte zurückbehalten wollte, könnte das vielleicht jene Momentaufnahme im Fernsehstudio sein, auf der – in einer absolut symbolischen Unschärfe grossartig aufgenommen – mit gereckten Armen zu sehen ist, was im Berufsjargon ironisch «Bildträgerin» genannt wird. Hommage an diese Frauen und Männer, die für qualitätsvolle Nachrichten kämpfen, aber auch Ausdruck der Befürchtungen angesichts des enormen Drucks, der auf ihrer Zukunft lastet.

Bernard Rappaz